28.04.21

Mit dem gestrigen Ortsteilgespräch in Großziethen hatte das Planungsbüro Stadt I Ökonomie I Recht nicht nur den größten Gemeindeteil, sondern wohl auch den schwersten Brocken zu bewältigen. Die Anmeldung in dreistelliger Höhe ließ nicht nur einen neuen Teilnahmerekord, sondern auch eine interessierte und angeregte Diskussion erwarten. Schlussendlich setzten knapp 100 Großziethener ihre Absicht in die Tat um und beteiligten sich an der Videokonferenz. Im Vergleich zu den vorangegangenen Ortsteilgesprächen waren das drei- bis viermal so viele.

Die hohe Beteiligungsquote kam jedoch nicht von ungefähr. Großziethen ist seit der Jahrhundertwende stark gewachsen und heute der einwohnerstärkste Ortsteil der Gemeinde. Rund 8200 Menschen leben dort und damit noch einmal 3000 mehr als in Schönefeld. Allerdings könnte letztgenannter durch die enorme Wohnbauentwicklung im Norden den Ortsteil Großziethen in dieser Position in den nächsten Jahren ablösen.

Zwar besitzt auch Großziethen Wohnbaupotenzial, allerdings nicht in der Größenordnung wie der Nachbar. Zudem befürchtet der durch kleinteilige Wohnbebauung geprägte Ort, dass durch weiteren Neubau Geschosswohnungsbauten das Bild bestimmen und den Ortsteil überprägen könnten. Die hohen Grundstücks- und Baupreise in dem an der Grenze zu Berlin gelegenen Ort führten zudem dazu, dass die Mieten drastisch anziehen und für den „Normalbürger“ kaum noch zu bezahlen sind.

Bei der künftigen Wohnraumentwicklung müsse die Gemeinde daher lenkend eingreifen. Neben bezahlbarem, sozialverträglichen Wohnraum, etwa für junge Erwachsene oder Menschen, die zum Arbeiten in die Region kommen, braucht es auch altersgerechte Wohnungen, formulierte Bürgermeister Christian Hentschel sein Ziel. Eine der Herausforderungen, die sich nicht nur in Großziethen stellt, ist die Überalterung der Gesellschaft und sich verändernde Bedarfe, an die die Entwicklung des Ortes angepasst werden muss, so Michael Steinke vom Büro SÖR. In erster Linie fehle es an medizinischer Infrastruktur, die seiner Ansicht nach noch vor der Ausweisung weiterer Wohnbebauungen angegangen werden muss. Auch Großziethens Ortsvorsteher Rainer Sperling argumentierte in diese Richtung und sprach sich für ein Ärztezentrum aus. Zudem würden Apotheken fehlen.

Wie schon in der Auftaktveranstaltung wurde auch das Thema Ortszentrum ins Gespräch gebracht. Als Ort der gesellschaftlichen Integration, aber auch der Begegnungen und Kultur. Vor allem für die heranwachsende Generation brauche es Treffpunkte und Freizeiteinrichtungen, hieß es. Im Vergleich zu den anderen Gemeindeteilen ist gerade in Großziethen der Anteil der Jugendlichen bis 18 Jahren überproportional hoch. Allerdings würden diese kaum Angebote vorfinden, die vorhandenen teils nicht annehmen.

Als Treffpunkte würden derzeit etwa Parkplätze vor Discountern fungieren. Bei der Entwicklung von altersgerechten Einrichtungen steht Großziethen jedoch vor der Herausforderung, die verschiedenen Wünsche unter einen Hut zu bringen. Während die einen mehr Angebote fordern, sind andere um den Erhalt des Status quo bemüht. Auch das Joggen, Spazieren gehen, Reiten oder Hund ausführen gehöre zu den gern genutzten Freizeitaktivitäten, hieß es. Hier gelte es, die vorhandenen Freiflächen zu erhalten, um dies auch in Zukunft zu ermöglichen. Diesem Ziel hat sich vor allem auch die neu gegründete Bürgerinitiative „Natürlich Großziethen“ verschrieben, die den dörflichen Charakter des Orts erhalten und Neubebauung lediglich zur Erschließung von Baulücken zulassen will.

Auch das Thema Verkehr wird in Großziethen weiter kontrovers diskutiert. Weitgehende Einigkeit bestand bei der Forderung nach einem Parkraumkonzept, das insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung eines Ortszentrums mitgedacht werden muss. Eine Umgehungsstraße zur Entlastung der Karl-Marx-Straße ist weiter im Gespräch und von der Verwaltung angeschoben, wird von den Großziethenern aber weiterhin teils abgelehnt, teils befürwortet. Hier sollen weitere Gespräche geführt werden. Auch werden die Anregungen der Großziethener im weiteren Verfahren berücksichtigt.

Grundsätzlich, so Michael Steinke vom Büro SÖR, müsse der Ort ganzheitlich als familienfreundlicher Ortsteil weiterentwickelt werden, der Großziethen auch heute schon ist. Dazu bedarf es einer Masterplanung, die auf die verschiedenen Bedarfe und Belange Bezug nimmt. Neben der Frage, wo gebaut werden soll, seien in der Planung soziale und medizinische Infrastruktureinrichtungen als auch die angesprochenen Freizeiteinrichtungen zu betrachten.

Wie sehen die Großziethener ihren Ort?

In einer sich der Diskussion anschließenden Umfrage waren die Großziethener gefordert, ihren Ort mit wesentlichen Merkmalen und Schlagwörtern zu beschreiben. Wichtig, so wurde deutlich, ist den Großziethenern der Dorfcharakter ihres Ortsteils. Dieses Merkmal wurde am häufigsten genannt. Im Weiteren wurde der Gemeindeteil als ländlich, naturnah und familienfreundlich beschrieben. Hervorgehoben wurde dabei auch der Erholungsfaktor. Bedeutsam für Großziethen sei aber auch die Nähe zu Berlin.

In einer weiteren Umfrage hatten die Großziethener die aus ihrer Sicht wichtigsten Handlungsfelder zu bestimmen. Hier durften drei genannt werden. Entsprechend der vorangegangenen Diskussion tauchten hier die Themenfelder Verkehr und Mobilität als auch Kultur, Freizeit und Tourismus an der Spitze auf. Dicht gefolgt vom Bereich Umwelt, Freiräume und Klima. Im Vergleich zu den Nennungen in den anderen Ortsteilen heben sich die drei erst genannten in Großziethen jedoch nicht so deutlich von den übrigen ab. Hohe Werte erzielten auch die Themen Bildung, Soziales und Gesundheit als auch der Bereich Städtebauliche Struktur und Planungen.

Welche konkreten Vorschläge gibt es?

Wie schon andernorts tauchten auch in Großziethen die in der Auftaktveranstaltung im September artikulierten Wünsche im Ortsteilgespräch wieder auf. Dazu zählten neben der kontrovers diskutierten Entlastungsstraße, der Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen, eine maximal kleinteilige Bebauung und Weiterentwicklung des Ortsteils mit bezahlbarem Wohnraum als auch die Errichtung eines Ortszentrums nebst Gemeindehaus.

Eine Reihe weiterer Vorschläge hatte das Büro SÖR im Vorfeld der Veranstaltung bereits per E-Mail erreicht, teils erarbeitet durch den Großziethener Ortsbeirat. Neben dem in der Diskussion thematisierten Parkraumkonzept wurde hier auch nochmals der Wunsch nach medizinischer Versorgung genannt. Besonders wichtig sind den Großziethenern auch die angesprochenen Freizeitangebote. Konkret wurden hier Bolz- und Skaterplätze als auch eine Umnutzung der Deponie und die Errichtung eines Outdoorparks, inklusive Mountainbike-Strecke genannt. Allerdings befindet sich diese nicht im Eigentum der Gemeinde, so dass zunächst ein Interessensabgleich mit den Flächeneigentümern stattfinden muss. Der Kinder- und Jugendbeirat wünscht sich im Zusammenhang mit der Schaffung von Begegnungsräumen und Freizeitangeboten eine zügige Sanierung der „Villa Wolff“. Diese war bereits von der Gemeinde mit der Absicht erworben worden, dort ein Kulturzentrum zu entwickeln.

Der Ausbau von Rad- und Fußwegen, ein Landschaftsgestaltungskonzept, das Reitwege und ein Auslaufgebiet für Hunde beinhaltet, ein zukunftsfähiges Regenwasserentwässerungskonzept als auch die Verlagerung der Autohändler an den Ortsrand sind nur einige wenige der weiteren genannten Wünsche, die alle dokumentiert und im Weiteren vom Büro SÖR gewichtet werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Noch bis zum 31. Mai 2021 haben alle Großziethener wie auch die Bewohner*innen der anderen Ortsteile die Möglichkeit, ihre Ideen und Umsetzungsvorschläge an das Büro SÖR zu übermitteln. Dies ist per Mail unter der jeweiligen E-Mail-Adresse (siehe Links zu den Veranstaltungen) möglich. Alternativ können die Vorschläge auch im Rathaus oder beim Ortsbeirat abgegeben werden.

Die Vorschläge werden gesammelt und anschließend bewertet. Im Weiteren sollen ein Leitbild überlegt und Handlungsschwerpunkte festgelegt werden, aus denen letztlich entsprechende Schlüsselprojekte und –maßnahmen abgeleitet werden. Je nach Situation soll das ergänzte und überarbeitete Konzept im Sommer bzw. Herbst nochmals in den Ortsteilen vorgestellt und diskutiert werden. Auch Politik und Verwaltung werden in die Diskussion einbezogen.

Das letzte und abschließende Ortsteilgespräch der 2. Beteiligungsrunde findet am kommenden Donnerstag, 6. Mai 2021, in Selchow statt. Beginn ist um 17.30 Uhr. Anmeldungen sind weiterhin per Mail unter insek-selchow@stadt-oekonomie-recht.de möglich.

 

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